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Leseprobe

(C) 2011 Jorge Maga
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Kapitel 1 - Kapitel 2 - Kapitel 3

Frederik steht auf einer leichten Anhöhe, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Vor ihm klaffen die Ruinen altertümlicher Betonbauten wie abgefackelte Bohrtürme im Sumpf von Öl und Schlamm. Ein paar dornige Sträucher trotzen dem trostlosen Klima und versuchen mit ihren kleinen grünen Blättern ein wenig Farbe und Leben in die graue Winterlandschaft zu tupfen. Die possierlichen kleinen Ratten, die zwischen all den Trümmern nach Nahrung suchen, berührt das nicht weiter. Diese Überlebenskünstler mit den glänzenden schwarzen Knopfaugen und den kleinen kreisrunden Öhrchen wuseln emsig durch die verstreuten Trümmer und suchen unermüdlich nach etwas Nahrhaftem. Auf der linken Seite, hinter den Ruinen der alten Stadt, erheben sich stattliche Berge, die einmal von prächtigen Wäldern bedeckt gewesen sein müssen. Doch die vertrockneten Holzgerippe, welche davon noch übrig geblieben sind, unterstreichen lediglich die düstere Stimmung von Sterben und Tod dieser unheimlichen Szenerie. In der Ferne verdunkeln auch noch gewaltige Rauchsäulen den Himmel und verhindern, dass die Sonne wenigstens ein bisschen Wärme verbreiten kann. Statt dessen bläst ein eisiger Wind von hinten und fegt ein Gemisch aus Schnee und Asche über den frostigen Boden.

Frederik spürt nichts von der Kälte, soweit ist die Technik nicht fortgeschritten, obwohl seine Ausrüstung das Neueste ist, was die Waffenindustrie zu bieten hat, selbstverständlich sicher gegen alle Wetter- und Umwelteinflüsse, auch gegen die meisten der antiquierten Schnellfeuerwaffen seiner hoffnungslos unterlegenen Gegner. Sie bietet auch gegen die moderneren Laserkanonen einen ausreichenden Schutz, die extrem hitzebeständige Ummantelung hält lange genug Stand, um sich in Sicherheit zu bringen. Und wenn sie ihn mal an empfindlichen Stellen erwischt haben, sind ihm höchstens ein paar Kabel durchgeschmort. Da sind die Granaten unangenehmer. Jedes Mal, wenn er von solchen getroffen wird, gibt es blaue Flecken und er muss sich ein Healthpackage suchen, um wieder zu hundert Prozent einsatzbereit zu sein.

Im Augenblick ist alles ruhig. Frederik durchsucht im Telemodus die Ruinen nach feindlichen Rebellen. Nichts Ungewöhnliches ist zu sehen. Der Blick auf die eingeblendete Karte im Monitor verrät ebenfalls nichts, zumindest werden keine Lebensformen angezeigt. Frederik wagt den Einsatz des Flightjackets, wählt ihn aus der Liste und hebt ab. Das ist immer das Größte, abheben und tatsächlich das Gefühl haben, über der Landschaft zu fliegen. Dieser Realismus wurde erst mit den neuen Home-Server-Units mit Fullbodycontrol möglich. Und dieser Begriff ist wörtlich zu verstehen. Frederik steckt in einem unbequem wirkenden Kunststoffanzug mit unzähligen Drähten und komplizierter Hydraulik, der computergesteuert jede Bewegung des Körpers direkt in den Rechenprozess integriert, umgekehrt jeden Einfluss, der den Körper betrifft, unmittelbar zurück gibt. Frederik macht sich in seinem jugendlichen Eifer keine Gedanken über diffizile mechatronische Zusammenhänge, ihn interessiert nur das unheimlich reale Feeling, das er hier erleben kann. Der absolute Traum eines jeden Computerspielezockers. Daher konzentriert er sich völlig auf die zu lösende Aufgabe und die einzusetzenden Strategien, kurz, worauf er achten muss, um zu gewinnen.

Er schwebt zügig und umsichtig über das Trümmerfeld, nicht zu hoch, um nicht zu schnell entdeckt zu werden. Vorne rechts liegen einige zerbombte Panzer, schräg dahinter laut Computer die Zielkoordinaten. Die Frage ist, ob der direkte Weg sicher ist. Meistens nicht, das zeigt die Erfahrung, aber Frederik liebt das Risiko. Schon ist er an den Panzerwracks vorbei, jetzt über die wie Toastbrotscheiben aufgeschichteten Betondecken eines zusammengebrochenen Wohnhauses. Plötzlich, er hat es gewusst, von links, aus dem dunklen Rachen eines ehemaligen Metrozugangs, eine Boden-Luft-Rakete. Keine Chance. Sind die also immer noch in der U-Bahn, schießt es ihm durch den Kopf, da wird er von der Detonation herumgeschleudert.

Schnell richtet er sich auf, rückt seinen Helm zurecht und logt sich wieder ein. Zum Glück war auf der Anhöhe ein Speicher-Terminal, um dort einen neuen Startpunkt zu setzen. Während die Daten geladen werden, überlegt er sich eine neue Strategie, um den Gegner im U-Bahn-Schacht zu eliminieren, gleichzeitig nicht zu viel Zeit zu verlieren, denn diese läuft ab, gnadenlos. Zehn Minuten hat er noch, um das versteckte Radar der Rebellen zu zerstören. Schafft er es vorher, hat er die Chance, auf der Bestenliste wieder ganz nach oben zu kommen. Also, tief durchatmen, wieder das Flightjacket wählen und diesmal bei den Panzern landen.

Dort angekommen tauscht er zunächst das Flightjacket gegen einen tragbaren Raketenwerfer und schleicht sich vorsichtig zu der Betonruine, hinter der sich der Metroeingang befindet. Auf einmal hält er inne. Unwahrscheinlich denkt er sich. Die Details sind unglaublich. Er ist ja sowieso jedes Mal begeistert von der absoluten Realität des Modern Wargames, aber ab und zu verschlägt es ihm den Atem. Auf dem Boden liegen nicht nur Wrackteile, das wäre zu erwarten. Nein, das geht weiter über alten Hausmüll, kaputte Möbel, verlorene Wäschestücke, alles, was herumfliegen könnte und von Eis und Schnee wie in einer gigantischen Tiefkühltruhe eingefroren und dem weiteren Einfluss der Zeit entzogen ist. Wer denkt sich das alles aus? Und der immense Aufwand, diese detaillierten Landschaften zu programmieren. Er erinnert sich gut an die Erkundung eines verlassenen Flüchtlingslagers. Als dort zwischen all den typischen Lagerresten verhungerte Kinder herumlagen, hätte er beinahe die Escape-Taste gedrückt. Das war hart an der Grenze. Aber was will er erwarten. Es ist ein superheftiges Kriegsspiel, und bestimmt nicht für Kinder gemacht. Oh ja, da hört er in Gedanken schon seinen Vater reden. Gibt es nicht auch friedliche Spiele? Musst du immer kämpfen und töten? Aber das ist doch nur ein Spiel. Meine Güte! Ich würde doch niemals wirklich töten, diskutiert er sogar schon in Gedanken mit seinem Vater. Wie gut, dass er Modern Wargames getarnt spielen kann. Seine Eltern glauben, er würde in einem Bergwerk mit anderen um die Wette buddeln. So was Uncooles. Er geht lieber heftig ran. Da muss es richtig brodeln, wie in Modern Wargames eben. Absolut real. Und absolut geil, wie man früher gesagt haben soll.

Eine Granate detoniert wenige Meter neben ihm und schleudert ihn zu Boden. Das kommt davon, wenn die Gedanken woanders sind, tadelt er sich selbst. Schnell rafft er sich auf, will seinen Raketenwerfer laden, was aber nicht geht, denn sein linker Arm blockiert. Das darf doch nicht wahr sein, denkt er sich, die haben mir einen Arm abgesprengt. Frederik überfliegt seine Waffenliste. Dann eben auch Granaten, den Werfer kann er mit einer Hand bedienen. Vorsichtig schleicht er weiter. Hinter ihm eine weitere Detonation. Ein Glück, sie wissen nicht genau, wo er ist. Schnell ein paar Haken schlagen und zwischen den aufgeschichteten Betonplatten durchschieben. Das ist problematisch mit einem fehlenden Arm. Mühsam gelangt er an das andere Ende des eingestürzten Wohnblocks. Vorsichtig schiebt er sich in seiner defekten Montur an den Rand und sieht sich um. Dort, hinten links ist der Metroeingang. Die ballern einfach blind in seine Richtung und trauen sich dafür nicht einmal aus ihrem Loch. Das dürfte nicht allzu schwer sein. Frederik nimmt den Eingang ins Visier, drückt ab, die Automatik feuert gleich mehrere Granaten, alle ins gleiche Ziel. Er wartet, bis sich der Rauch verzogen hat. Keine Geschosse kommen mehr aus dem Aufgang, wieder ein Problem erfolgreich gelöst.

Jetzt noch das Radar. Es bleiben sieben Minuten, weit mehr als genug, denn er kann es da hinten schon sehen. Berechnend montiert er eine Sperrfeuerkanone, die schießt eine Minute lang auf alles, nur nicht auf ihn. Das müsste reichen, um rüber zu laufen, die Sprengladung zu befestigen und mit dem Flightjacket abzuhauen. Er zündet die Waffe und rennt los. Rechts und links pfeifen die Kugeln an ihm vorbei, dazu feuert ein Laser auf alles, was sich bewegt, sei es umherfliegender Müll, ein Vogel oder eben auch mal ein Gegner, falls sich einer in dieses Feuerwerk verirrt. Das Laufen gestaltet sich zwischen den Trümmern schwieriger als erwartet und mehrmals verliert er beinahe die Balance. Endlich hat er das Radar erreicht, die Kanone schießt immer noch eine Salve nach der anderen und bietet einen gewissen Schutz. Die Sprengladung ist angebracht und der Zeitzünder läuft, es bleiben zehn Sekunden.

Das Sperrfeuer hört auf, Frederik startet sein Flightjacket, wird jäh von einer Granate getroffen und stürzt hart zu Boden. Trotzdem rafft er sich auf, wählt die Bazuka und zielt in die Richtung, aus der er beschossen worden war. Wenn ich schon ein weiteres Leben verliere, dann will ich wenigstens noch ein paar Punkte für abgeschossene Gegner. Die Mission ist sowieso fertig, denkt er sich und ballert wie wild, bis er von der Explosion seiner eigenen Bombe herumgewirbelt wird.


Wow, so macht das Spaß ... Frederik setzt sich auf den Boden und checkt den Spielstand. Ja! Wieder oben auf der Bestenliste! Peacemaker ist eben der Beste! Jedes Mal freut er sich über seinen gelungenen Codenamen. Er ist sich sicher, dass von denen da draußen doch keiner versteht, warum er sich so nennt. Die anderen haben in der Zwischenzeit ebenfalls ihre Aufgaben erfüllt, jedoch nicht so schnell und effizient wie er. Es war eine kurze Mission, so bleibt ihm noch Zeit, bevor er die Serverunit verlassen muss, weil seine Stiefmutter anschließend damit arbeitet. Er fragt kurz die Gewinndaten ab, 50.000 Punkte dazu, insgesamt ist er damit bei 950.000 Punkten, bei einer Million gibt es eine Extraprämie. Diesmal bekommt er zusätzlich zu der normalen Gewinnerprämie von 500 Dollar den Jackpot für den Besten, weitere 2.500 Dollar, die umgehend auf sein Konto überwiesen werden. Es hat sich mal wieder gelohnt. Frederik lehnt sich bequem zurück, genießt noch einmal kurz das Siegerglück und fährt in Ruhe den Server herunter.

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