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Leseprobe

(C) 2011 Jorge Maga
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Kapitel 1 - Kapitel 2 - Kapitel 3

Die Sonne scheint freundlich und hell durch die großen Scheiben, die das Wohnzimmer von der Terrasse trennen. Das Meer im Hintergrund glitzert bis zum Horizont. Ein paar einsame Möwen kreisen über den vorgelagerten Felsen. Es war einer jener idyllischen Tage in Madagaskar, der einen vergessen lässt, dass die Steinbrocken am Strand einzig zum Schutz der Häuser vor den unberechenbaren Wellen der scheinbar friedlichen See aufgeschichtet worden sind. Der vergessen lässt, dass die großen Fenster selten Licht ins Haus lassen, weil sie durch schwere Sicherheitsverschläge geschützt werden. Zu teuer ist das Panzerglas, um es jedes Mal austauschen zu lassen, wenn einer der üblichen kleinen Wirbelstürme diverse Gegenstände gegen die Scheibe schleudert und die Sicht daraufhin durch unendlich viele Risse getrübt wird. Die Versicherung zahlt für solche Schäden schon lange nicht mehr. Daher gilt es, diese wundervollen Tage aus vollen Zügen zu genießen, zumal es wenige Menschen mit diesem Vorrecht gibt.

Ralph und seine Familie genießen das, denn Ralph hat es geschafft. Noch keine fünfzig, aber schon im real verdienten Ruhestand, dank der besten Idee, die ihm vor rund zwanzig Jahren gekommen war. Er stammt aus einer gut situierten Familie der Client-Class, ein schamlos euphemistischer Begriff, der verdecken soll, dass diese Klasse zu hundert Prozent Nutznießer der Arbeit der Server-Class ist. In dieser bevorzugten Lage erhielt er die denkbar beste Ausbildung. Das, zusammen mit ausreichend finanziellen Mitteln, ermöglichte es ihm, diese seine beste Idee zu verwirklichen: Arbeitsroboter, die ohne Risiko und wie selbständig arbeiten können, da sie von jedem Ort der Erde über Homeserver-Units gesteuert werden. Eine geniale Idee, umging er auf diese Weise den rechenintensiven Einsatz künstlicher Intelligenz, bei der seiner Meinung nach sowieso nicht von Intelligenz geredet werden könne. Abgesehen davon schuf er Unmengen neuer Arbeitsplätze. Zunächst wurden die Roboter für gefahrenträchtige Arbeiten eingesetzt. Mit zunehmend menschlicherem Aussehen eröffneten sich schier unbegrenzte Möglichkeiten, vor allem im Dienstleistungssektor. So hat er nicht unmaßgeblich zu der neuen Ära eines gewissen Wohlstands beigetragen, und das trotz der unglückseligen Lage der Menschheit. Und er kam dabei nicht zu kurz, gehört dadurch zu den glücklichen Vorruheständlern und kann sich endlich ebenso erfolgreich seinem eigentlichen Wunschtraum widmen, dem Schreiben.

Ralph sitzt gelassen in seinem Sessel, grübelt unter seinem grau melierten Haar über einem neuen Roman, während er in der angenehmen Wärme der Sonne an einem Cocktail schlürft.

„Ralph!“, ruft Margaret, seine dritte Lebensgefährtin, die erste jedoch, die seinen spleenigen Lebensstil teilen kann. Außerdem hat sie eine ausgesprochen hübsche Tochter mit in die Partnerschaft gebracht. „Kannst du mir den Pockmec 'rüber werfen?“

„Also bitte, das teure Ding schmeiße ich doch nicht durch die Gegend,“ erwidert Ralph entrüstet. „Kannst du nicht Albert rufen?“

„Muss das sein?“ mault sie zurück. Sie mag den neuen Server nicht, der ihren Butler steuert. Er ist unzuverlässig, ungeschickt und unverschämt. Für ihren Geschmack zwei Un-s zu viel. Und es kommt ein weiteres dazu: Er ist erschreckend ungebildet. Wie soll sie sich mit so jemandem über Kunst unterhalten, ihm erklären, warum sie welchen Künstler sponsert, oder warum sie im Gegenzug die moderne Massenkunst verabscheut? Ja Ralph, ihr Lebensgefährte, der schreibt alles selber, seine Geschichten sind echte Fantasieprodukte, anders als diese computergenerierte und geschmacksneutrale Massenliteratur. Wahrscheinlich liest dieser Server solches Zeug. Aber was bleibt ihr übrig, wenn sie nicht selber aufstehen will. Immerhin wird er nicht für Herumstehen bezahlt.

„Albert, würden Sie mir bitte den Pockmec herüber bringen?“ flötet sie in die Sprechanlage. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Albert betritt den Raum. Dieser Prototyp eines neuen Dienstroboters könnte die Klasse eines echten englischen Butlers verkörpern, würde er von einem entsprechend guten Server gesteuert. Aber dieser – Margaret kann sich nicht einmal an seinen richtigen Namen erinnern – dieser tut es nicht. Lustlos schlurft er zum Schreibtisch, greift sich den teuren Pockmec und macht sich auf den Weg. Margaret traut ihren Augen nicht, Albert schafft es nicht, in gerader Linie zu ihr zu gehen, nein er scheint regelrecht zu torkeln.

„Albert, Sie sind ja betrunken!“ kreischt sie entsetzt.

„Jau,“ lallt Albert kaum vernehmbar, bevor sein Gleichgewichtssinn endgültig versagt und sich die von Elektromotoren und Hydrauliksystemen gesteuerten Beine so sehr verknoten, dass auch die integrierte Balancehilfe keinen Halt mehr findet. Mit einer gekonnten Pirouette dreht sich der ausgehebelte Körper kunstvoll um die eigene Achse und schlägt mit lautem Getöse auf dem Parkett auf.

Margaret blickt fassungslos auf den vor ihr liegenden Roboter und ringt nach Worten. Ralph, den dieser Auftritt aus seiner Gelassenheit gerissen hat, steht neben dem Gestrauchelten.

„Wissen Sie eigentlich, was so ein blöder Pocket-Multimedia-Editing-Computer kostet?“ zischt er mit mühevoll ruhig gehaltener Stimme. „Den werde ich Ihnen vom Lohn abziehen. Außerdem sind sie gefeuert. Bringen sie den Roboter zur Ladestation und quittieren Sie umgehend ihren Dienst.“

„Bringen Sie ihren Schrotthaufen doch selber weg,“ lallt es noch aus der Maschine, dann war, außer einem leisen Rauschen, nichts mehr zu vernehmen. Jetzt fehlen auch Ralph die Worte.

„Unglaublich. Einfach unglaublich. Wie kann so jemand zu einem Trusted Server werden.“ Ralph kann es nicht begreifen. Noch ein solcher Vorfall, und sein Glaube an das von ihm geschätzte Gesellschaftssystem könnte bis in die Grundfesten erschüttert werden.

„Mir war er jedenfalls von Anfang an unsympathisch.“ erwidert Margaret, die langsam ihre Fassung wiedergewinnt. Vorsichtig zieht sie ihren Pockmec unter dem Sofa hervor. Er scheint in Ordnung zu sein, zumindest hat er keine sichtbaren Schäden. Ralph kümmert sich um Albert und nutzt gleich die Gelegenheit, eine der wichtigsten Neuerungen an diesem Prototyp zu testen. Einige Grundfunktionen sind in diesem vorprogrammiert, um grundsätzliche Dienstleistungen zu gewähren, wenn gerade kein Server zur Verfügung steht.

„Albert, schalte bitte auf Selfmodus und begib dich zur Ladestation,“ diktiert er der Maschine, die sich daraufhin umständlich erhebt und sich unbeholfen, eben wie ein typischer Roboter, der nicht von einer UNIT gesteuert wird, in seinen Abstellraum begibt. Ihm nachblickend kann Ralph nicht anders, als sich gedanklich wieder einmal über seine Erfindung selbst zu loben. Die menschlichen Fähigkeiten, wie den Gleichgewichtssinn, direkt in seiner Maschine zu benutzen, ist einfach genial. Wie unbeholfen derselbe Roboter wirkt, wenn er ohne Steuerung arbeitet. Abgesehen von der echten Persönlichkeit, mit der die Maschine dadurch erfüllt wird. Wie allerdings so ein Un-Mensch die Lizenz eines Trusted Servers erhalten konnte, ist ihm unerklärlich. Genau solche Peinlichkeiten sollten mit diesem Sicherheitssystem verhindert werden.

„Ich gehe kurz an die Station und melde diesen Vorfall. Diesem Menschen muss die Lizenz entzogen werden!“ vermeldet Ralph, nachdem er sich beruhigt hat.

„Dann kannst du auch gleich die Stelle wieder ausschreiben. Aber diesmal wieder eine Frau. Ich möchte mich vernünftig unterhalten können.“ ruft Margaret ihm nach.

„Och nö, lieber 'nen Mann!“ tönt es enttäuscht von der Terrasse. Dort hat Margarets Tochter Sarah dem ganzen Geschehen gespannt zugesehen. Sie liebt es, die Server in Verlegenheit zu bringen, indem sie ihre jugendlichen Reize ausspielt. Sie würde mit diesen Männern ja nie in Kontakt kommen. Die wohnen auf einem anderen Kontinent und haben keinen Zutritt zur Client-Area. Zusätzlich können sie ihre Gesichter und alles andere, was sie verbergen wollen, vom Computer durch künstliche Überlagerungen verschleiern. Nur mit einem weiblichen Server kann sie ihre heimlichen Spielchen eben nicht treiben.

„Nichts da! Du sollst lernen, nicht schäkern, wir stellen wieder eine Frau ein,“ weist Margaret den Einwand ihrer Tochter mit einer gewissen Strenge zurück. Und sie hat nicht Unrecht. Sarah steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss und hat genug zu lernen. Sie selber sieht das zwar nicht so ernst, womit sie ebenfalls nicht daneben liegt, hat sie doch alle Prüfungen ohne große Mühen und mit Bestnoten bestanden. Andererseits weiß sie, dass die Abschlussprüfungen mehr Einsatz erfordern, als sie bisher gezeigt hat. Aber nicht heute, nicht an diesem wundervollen Tag. Wann bietet sich die Gelegenheit, die Liege auf die Terrasse zu stellen und sich in der echten Sonne zu baden, alleine und ungestört. Da ist es ihr letztendlich egal, ob ihr in Zukunft ein Albert oder eine Emma das Handtuch reicht.

Ende der Leseprobe.

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